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4. Biografisch-künstlerischer Weg
 
4.2. Schlüsselerlebnis - Die brasilianische Goldmine "Sierra Pelada"
 
Eine Fernsehdokumentation aus der Reihe "Universum" über die brasilianische Goldmine "Sierra Pelada" ("nackte Erde" bzw. "gehäutetes, geschürftes Gebiet") löste 1984 den emotionalen Umbruch in Angerbauers bisherigen Lebenslauf und in seinem künstlerischen Schaffen aus, der mental schon lange in ihm vorbereitet war.
 
Es wurde gezeigt, wie zur Goldsuche (Abb. 7 und Abb. 8) die Erde in unglaublicher Weise gleich einem Schlachtfeld aufgewühlt und zerfurcht wurde. Zerlumpte "Garimpeiros" (Goldsucher) schleppten in unendlich lang scheinenden Reihen Säcke voller Erde über Leitern, von ihnen "Adios Mama" genannt, nach oben zur Goldwäsche. Wer keine Kraft mehr hatte, fiel aus den Reihen der Arbeitskolonnen heraus und blieb in den eingegrabenen Erdschluchten am Rand liegen. Es wurde über gestrandete Menschen berichtet, die keine Mittel mehr fanden, umzukehren, über regelrecht "versklavte" Menschen in hoffnungslosen Bedingungen voll grausamer Kriminalität, Leid und Elend, ausgenutzt als Produktionsfaktor durch Minengesellschaften. Die "Garimpeiros" nahmen unmenschliche Strapazen auf sich, da ihnen schon vor ihrer "Sklavenarbeit" in der "Sierra Pelada" die Lebenssituation hoffnungslos und ohne Aussicht auf Besserung erschien.
 
Es war für Angerbauer ganz offenbar ein traumatisches Erlebnis, das durch eine weitere Fernsehdokumentation mit dem Titel "El Dorado" wenige Monate später seinen geistigen Umbruch festigte und in ihm eine innere Krise auslöste: "Seither hatte ich bei jeder Anfertigung eines goldenen Schmuckstückes das Gefühl, eine goldene Lüge zu produzieren. Das Gefühl einer notwendigen Reinigung des Elements Gold verstärkte sich ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich." (27)
 
Dies war jedoch nur ein Aspekt. Denn gleichzeitig symbolisierte die "Sierra Pelada" den rücksichtslosen Umgang mit der Natur. Wo früher tropischer Wald in einem austarierten Ökosystem seit Jahrtausenden gedieh, pflügte menschliche Habgier diese Landschaft zu einer wahrhaften Mondlandschaft um: kahl, rot und zertrümmert. Minengesellschaften drängten mit ihren kalten Kosten-Nutzen-Analysen in das Geschäft.
 
Für Angerbauer, aufgewachsen in einer wohlgeordneten bürgerlichen Welt im oberösterreichischen Steyr, wo man begann, sich über die Zerstörung der Umwelt, insbesondere der Bergregionen, Gedanken zu machen, bedeuteten diese Eindrücke gleichzeitig Impulse für einen Erkenntnisprozeß und Ausgangspunkt für weitere Handlungsmotivation. Dabei wurden alle anderen Gedanken beiseite gelassen. Es wurde in diesem Moment seines Aufbruchs verdrängt, daß die positiven Eigenschaften des Goldes für Industrie und Medizin zum Beispiel, auch Nutzen bringen können.
 
1985 starb seine Mutter. Nun wagte er vollends die Umsetzung in die künstlerische Freiheit und verpachtete das Schmuckatelier.
 
Ab diesem Zeitpunkt fühlte er sich wirklich frei. Durch das oben beschriebene Schlüsselerlebnis bestärkt, arbeitete er als freischaffender und finanziell unabhängiger Künstler. Seine neue Rolle war für ihn eine Art Wiedergeburt, die er nun mit einem eigenen Künstlernamen, dem Pseudonym, "Johannes Goldhoff", besiegelte. Seit dieser Zeit begann sich in Angerbauer etwas Prozeßhaftes, auf künstlerische Aktionen Hinauslaufendes zu konkretisieren.
 
 
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(27) Angerbauer 1999b (zit. in E-Mail 1999)