Zurück zum Inhaltsverzeichnis der Magisterarbeit von Mag. Manuela Schmid
 

 
6. Material-Präferenz im Vergleich mit Yves Klein
 
6.4. T.A.04296 "Hommage á Yves Klein"
 
Angerbauer nahm in seiner T.A.04296, 1996 diese "kleine merkantile Schwäche" Kleins zum Anlaß, die Zeremonie von Yves Klein mit Dino Buzzati am Ufer der Seine vom 26. Januar 1962 zu vervollständigen (Abb. 49). Kleins Transfer war einer aus der Serie 1, Zone 5 mit 20 Gramm Gold. Angerbauer rechnete die halbe "eingesteckte" Menge von 10 Gramm Gold in Goldblättchen um und am Freitag, den 27. Dezember 1996 (Abb. 50), "vervollständigte" er den Transfer um dieses Goldgewicht, das sich Klein einbehielt. So wie Klein einen Photographen beauftragte, diese Zeremonie zu dokumentieren, so wurde auch die Handlung Angerbauers fotografisch festgehalten.
 
Für Angerbauer war das "Goldversenkungsritual" Kleins kein gänzlich vollzogenes Immaterialitätsritual, denn schließlich behielt er die Hälfte des Goldes und somit einen materiellen Teil ein, den es galt zu "entmaterialisieren". Hier soll keine Ausbesserungsarbeit stattfinden, sondern Angerbauer sieht in Klein einen hochgeschätzten Künstlerkollegen, dem zu gedenken ist. Angerbauer verehrt dessen Werk, weil es auf eine bereichernde sinnliche Erfahrung im Umgang mit Material und Farbe abzielt.
 
Einige wenige Förderer Kleins reagierten so wie er es sich vorgestellt hatte.
 
Ein Rezipient Kleins, der 160 Gramm Gold für eine immaterielle Zone zahlte, schrieb, er habe "keine andere Erfahrung mit der Kunst (gemacht), die mit den tiefen Gefühlen der (Verkaufszeremonie) vergleichbar wäre. Sie löste in mir einen Schock der Selbsterkenntnis und eine Explosion des Bewußtseins für Zeit und Raum aus"(144) und weitere Stimmen "sagten aus, das Ereignis sei ehrfurchtgebietend gewesen, zumal es um 12 Uhr mittags endete und die Glocken aller Pariser Kirchen ertönten. Fast alle erwähnten jedoch auch die Ironie zu sehen wie Gold in den Fluß geworfen wurde, während die Clochards auf den Kais schliefen."(145)
 
Klein hatte bei dem Verkauf seiner immateriellen Zonen mehr an Spiritualismus und Existentialismus als an die gesellschaftlichen Probleme der Stadt Paris gedacht. Daß Angerbauer von dieser Zeremonie Kleins so ergriffen war, liegt in dem Spannungsverhältnis des simultanen "Goldversenkungsrituals", im Beisein der Clochards und der gleichzeitigen Bewußtseinserweiterung der Rezipienten in diesem Moment.
 
Die Umgangsform Kleins mit Gold, die Immaterialität, die Bewußtseinserweiterung und das Leid der Clochards am Ufer der Seine waren für Angerbauer Anlaß, an die Bildideen und Gedanken Kleins anzuknüpfen.
 
Als Kontemplations- und Meditationsobjekte eröffnen die goldenen Tafeln beider Künstler den imaginären Weg zur "göttlichen Immaterialität" bei Klein und zur Bewußtseinserweiterung bei Angerbauer. Das Element Gold wird als wahrnehmungspsychologisches Wirkungselement verwendet und beim Rezipienten erfolgt durch dieses künstlerische Gestaltungsmittel die Begegnung mit dem eigenen Ich.
 
 
 
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6.3."Zonen immaterieller malerischer Sensibilität"   < Zurück                                  
 
(144) Blankfort, Michael (zit. in Stich 1994, S. 155)
(145) ebd.
 
Johannes Angerbauer-Goldhoff und Yves Klein Paris 1962/1996
 
15. Transformator Handlung, Paris, am 27.12.1996, fotografiert von Walter Ebenhofer.
 Foto auf Buchseiten 156/157 in "Yves Klein" v. Sidra Stich, Ed. Cantz, 1994
ISBN 3-89322-656-7